ZFP 2

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Die Erzeugung von Anstrichbildern zur Visualisierung von Wand – Strom – Linien an hoch gepfeilten und mäßig geschränkten Flügeln – mögliche Folgerungen für Profilgestaltung und – Orientierung sowie die Optimierung der DSA-Winglet-Auslegung

Hans-Jürgen Unverferth
4/2016

1. Herleitung des Erkenntnisinteresses / der Vorgehensweise
2. Versuchsaufbau
3. Suspensionen
4. Freiluftversuch
5. Dokumentation
6. Interpretation
7. Literatur/Bezugsnachweise

Herleitung des Erkenntnisinteresses / der Vorgehensweise
Innenflügel
In den letzten Jahren konnte man in den einschlägigen Internetforen unter Nurflügel-Enthusiasten eine bisweilen bizarr anmutende Diskussion über die Frage, wie denn nun die Umströmung eines Pfeilflügels eigentlich zu denken wäre, beobachten. (1) „Bizarr“ mutete diese Diskussion deshalb an, weil sie sich aus einer vermeintlich fehlenden „Passung“ zwischen den Ergebnissen gängiger Auslegungsprogramme und eigenen Flugerfahrungen speiste – was soll man jetzt ändern? Die Flieger oder die Programme? Die Akteure auf der Bühne: „Flugrichtung“ versus „Orthogonalität“. Oder anders: orientiert man sein gewähltes Flügelprofil in Flugrichtung oder 90° zur Nasenleiste?(2) Wie dem auch sei. Beide Positionen arbeiten mit einer starken Vereinfachung: der Umströmungsverlauf wird jeweils in Form einer Geraden idealtypisiert!
Frühere (empirische) Untersuchungen legen demgegenüber einen eher „S“ -förmigen Verlauf nahe. (3) Unser Vorschlag besteht darin, das gewählte Flügelprofil weder in Flugrichtung, noch orthogonal zu orientieren, sondern dem Verlauf durch Anstrichbilder zu identifizierender örtlicher Wand – Strom – Linien folgen zu lassen.(4) Wir nennen dieses Verfahren: „Wand – Strom – Linien – Optimierung von Profilgestaltung und – Auswahl“. Visualisierte Wand – Strom – Linien verstehen wir dabei als Resultate der Kopplung zwischen Grenzschicht und Potentialströmung. (5)
Außenflügel
Der Außenflügel unserer NF schließt mit einem DSA-Winglet © ab. Die DSA-Technologie soll den Druck-Sog-Ausgleich am Flügelende (induzierter Widerstand) in das integrierte Rohr leiten und zur Endfahne hin abführen. Größe und Verlauf der rohrunterseitig ausgeführten Versorgungsöffnung sind hierfür von zentraler Bedeutung. Um Hinweise auf eine „sinnvolle“ Auslegung zu erhalten werden zwei Öffnungsvarianten (Öff 1, „klein“; Öff 2, „groß“) mittels Anstrichbildern verglichen.
Versuchsaufbau
Als Versuchsträger dient uns ein ca. 2,3m spannender, 30°- rückgepfeilter und – 5,5° linear geschränkter Nurflügel vom Typ „ZAPHOD“ (Bussard-Reihe, Zanonia- Flyers) (6). Zum Einsatz kommt an der Wurzel ein RS608 (25 cm ti), am Übergang zum DSA-Winglet ein MH 45 (25cm ta). Beide Profile sind in Flugrichtung ausgelegt. Der Flügel ist in Hartschaum-/Sperrholzbauweise gefertigt und mit gefrästen Schablonen auf Konturtreue geprüft. Klappen/Ruder sind unterseitig angeschlagen (Silikonschanier zur Verhinderung eines Druck – Sog – Ausgleiches) und oberseitig mit einer in Form gefertigten, englaufenden GFK-Dichtlippe eingelassen. Die Oberfläche ist zweifach mit verdünntem Bootslack gerollt, bis 1200er Körnung geschliffen und mit Carnauba-Hartwachs auf Spiegelglanz poliert. Um die zu untersuchenden Bereiche später einfacher reinigen zu können und einen gleichmäßigen Auftrag der Suspension zu gewährleisten wird auf diese Bereiche PVA-Trennmittel mit einem feinzelligen Schwamm (7) aufgebracht (vorherige Reinigung mit Staubbindetuch).

Suspensionen
Im Vorfeld unserer Versuche haben wir mit Suspensionen aus den folgenden Komponenten experimentiert:

– Petroleum
– Terpentin-Ersatz
– Waschbenzin
– Isopropyl-Alkohol
– Polyvenyl-Alkohol
– Methanol
Als bildgebende Pigmentierung wurden Graphit-Pulver (Silbergrau) (8), Feinst-Ruß (tiefschwarz) (9) und Eisen-Gallus-Tinte (tiefblau) (10) erprobt. Der Einsatz von (unter Schwarzlicht) fluoreszierenden Teilchen („seed-Particles“) verbot sich aus Kostengründen.
Kriterien:
– gute Durchmischbarkeit, langsame Sedimentierung des Pigments
– beherrschbare Verdunstungsgeschwindigkeit
– langsames Ablaufverhalten an vertikalen Flächen (Winglets)
– praktikables Aufbringverhalten
– Informationsgehalt des sich ergebenden Anstrichbildes (Dokumentierbarkeit)

Als Suspension für horizontale Flächen ergab sich:
– Petroleum
– Feinst-Ruß
– Terpentin-Ersatz (Aktivierung)
– Rezeptur: 100 ml Petroleum, 4-6 ccm Ruß
Als Suspension für vertikale Flächen:
– Polyvenyl-Alkohol
– Eisengallus-Tinte
– Methanol (Aktivierung)
– Rezeptur: 100 ml PVA, 2 ml Tinte
ACHTUNG: die jeweiligen Mischverhältnisse müssen vor Ort abhängig von Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit und Sonneneinstrahlung bestimmt werden. Vorversuche sind unabdingbar!

Freiluftversuche
Die Suspension für horizontale Flächen wird auf den zuvor durch PVA vorbereiteten Bereich mittels Moltopren-Rolle aufgebracht und ca.3-5 Min. abgelüftet (zur Vermeidung von Verfälschungen durch turbulierende Stoßkanten wird dieser Bereich NICHT durch Krepp oder Tape eingegrenzt).
Die Suspension für vertikale Flächen wird kurz vor dem Start aufgebracht. Beide Suspensionen werden mit „Aktivator“ versehen (Sprühkopf-Flasche).
Der Start des Versuchsträgers erfolgt im ungetrimmten Zustand, d.h. im Auslegungs-CA. Hohe Startbeschleunigungen sind zu vermeiden. Hiernach wird das Gerät mittels HR auf geringstes Sinken getrimmt, Steuerungseingriffe dienen ausschließlich dem Verbleiben im Sichtfeld. Eine Betätigung der WK findet NICHT statt, auch nicht in der Landephase. Eine Flugdauer von 5Min. sollte nicht unterschritten werden.
Nach der Landung wird die Brauchbarkeit (Dokumentierbarkeit) der erzeugten Anstrichbilder überprüft. Bei positivem Ergebnis folgt die Dokumentation mittels Kamera auf 4 – Bein – Stativ. Bei negativem Ergebnis sind die entsprechenden Bereiche zu reinigen und die Versuche mit angepasster Rezeptur der Suspension zu wiederholen.

Dokumentation
1. Protokoll:
– Datum: 26.3.2016, 9:55 bis 11:40 Uhr
– Startstelle: Kleeberg, Tecklenburg-Brochterbeck
– Windrichtung: 190° (210° opt.)
– Windstärke: 7 m/sec. (11 m/sec.)
– Temperatur: 9° C
– Luftfeuchte: 60%
– Luftdruck: 1011 hPa
– Bewölkung: 1/8
– Untersuchungsbereiche: rechter Flügel, Innenbereich bis 45% Halbspannweite; WL-Fuß
– Landebereich: Wiese, kurzgemäht, fast mähgutfrei, fast trocken
– Pilot: Hans-Jürgen Unverferth
– Zeugen: Klaus Brunswicker, Erwin Bomke
– Flugdauer: 8:32 min., 5:47 min., 6:56 min.
– Re-Zahl-Bereich: ca. 160 000 – 270 000
Aufbringung der Suspensionen: es wurde wie oben beschrieben verfahren
Start / Flug: es wurde wie oben beschrieben verfahren
Landung: aufgrund der guten Auftriebssituation musste die WK eingesetzt werden (Suspension bereits abgetrocknet)
Abweichungen: die Lösung für vertikale Flächen wurde aufgrund zu schnellen Trocknungsverhaltens noch auf dem Gelände gegen die Petroleum/Ruß- Suspension getauscht.

2. Protokoll
– Datum: 1.4.2016, 11:10 bis 11:42 Uhr – Startstelle: Lengerich – Oberringel (Ebene) – Windrichtung: 310° – Windstärke: 2 m/sec – Temperatur: 11° C – Luftfeuchte: 66% – Luftdruck: 1015 hPa – Bewölkung: 0/0 – Untersuchungsbereiche: Außenflügel incl. Wingletfuß – Landebereich: Wiese, ungemäht, trocken – Pilot: Hans-Jürgen Unverferth – Zeugen: Adele Beckmann – Flugdauer: 11:18 min. – Re-Zahl-Bereich: s.o.
Vorgehen: siehe „Freiluftversuch“. Als Antrieb wurde ein Lehner 1015 mit 6,75:1 – Untersetzung, Turbo-Spinner mit versetztem Mittelteil, RFM 16 x 8,5 schmal, YGE 60 Regler/Steller und 3S1P 1200 mAh-Lipo verwendet.

Bilder:
Die Ergebnisse wurden mit einer SONY DSC-H300 sowie aus Sicherheitsgründen einer weiteren Digital-Kamera (frei Hand) dokumentiert. Die auf den Bildern erkennbaren Pfeile geben „Flugrichtung/vorne“ an (siehe Anhang, alle Bilder: Sielemann/Unverferth ©). Die in Bilder/Graphiken hineingezeichneten Strom-Linien sind mit Hilfe transparenter Schablonen übertragen worden. Die klassische Unterscheidung zwischen „Ablösung“ und „Umschlag“ (laminar/abgelöst/turbulent) ist bisweilen schwer zu identifizieren, wir sprechen in unseren Graphiken deshalb lediglich von „Umschlag“ und bezeichnen damit das Ende der laminaren Strömung.
Interpretation
Wir unterscheiden im Folgenden
A. Innenflügel (wurzelnah, horizontal)
B. Außenflügel (bis Winglet-Fuß, horizontal)
C. Winglet (fußnah, vertikal)
Bei „B“ und „C“ werden darüber hinaus zwei Öffnungsvarianten des DSA -Winglets betrachtet (Öff 1, Öff 2). Die Untersuchungen sind auf der Profiloberseite vorgenommen worden.

Zu A.
Die identifizierbaren Wand-Strom-Linien verlaufen weder in Flugrichtung, noch orthogonal, sondern weisen die Form eines gestreckten Fragezeichens auf, welches mit 10 – 15° Ausweichung (gegenüber „Flugrichtung“) in Richtung Winglet zeigt. Die hiermit einhergehende Laufstreckenverlängerung beträgt gut 20%, gleiches gilt für die Erhöhung der Re-Zahl bei 10m/sec.
Diese nach außen gerichtete Strömungskomponente ist besonders gut im Umschlagsbereich zwischen laminarer und turbulenter Strömung zu erkennen.
Ein in Flugrichtung „eingebautes“ Profil wird folglich (effektiv) verdünnt und entwölbt. Ein optimierter Profileinsatz hätte demgegenüber einem idealisierten Verlauf der Wand-Strom-Linien zu folgen.

Zu B.
Wir betrachten „Öff 1“:
Die Wand-Strom-Linien weisen hinter dem Umschlagspunkt laminar/turbulent eine nach außen gerichtete Komponente auf. Diese Strömung (S 1) trifft vor dem Winglet-Fuß auf den Anteil des Druck-Sog-Ausgleiches (S 2), der nicht durch das DSA-Winglet abgeführt wird. Diese Strömung (S 2) verläuft laminar am Winglet-Fuß entlang zur Endfahne. Das Zusammentreffen beider Strömungen unterstützt die Ausbildung einer laminaren Ablöseblase in Form eines lokal eng begrenzten Dreiecks mit erkennbarem „Totwasser-Gebiet“.

Wir betrachten „Öff 2“:
Der Anteil der Druck-Sog-Ausgleichsströmung, der von außen auf die Profiloberseite strahlt, hat sich wesentlich verringert. Die Umströmung des Winglet-Fußes erfolgt nach wie vor laminar. Die Länge der laminaren Laufstrecke auf der Profiloberseite hat erheblich zugenommen. Der Übergangs-bereich zur Turbulenz ist harmonischer, weist aber nach wie vor eine nach außen gerichtete Komponente auf. In Übereinstimmung mit unseren Praxis-Erfahrungen zeigen die Anstrichbilder, dass „Öff 2“ der Vorzug zu geben ist. M.a.W.: die unterseitige Öffnung sollte bis zum Einsetzpunkt der WL-Nasenleiste reichen.

Zu C.
Generell sind bei „C“ die Besonderheiten des Verhaltens von Suspensionen an vertikalen Flächen zu beachten.
Wir betrachten „Öff 1“: Die Strömung schlägt bei 20 – 25% Winglet-Tiefe ohne erkennbare Blasenbildung von laminar zu turbulent um. Wir betrachten „Öff 2“: Signifikante Änderungen sind nicht erkennbar.

Bei allen Versuchen ist – unbeabsichtigt – Suspension über die Nasenleiste an die Flügelunterseite gelangt. Dieser Umstand erlaubt, quasi als Abfallprodukt, eine Aussage über den Strömungsverlauf auf der Unterseite: die Strömung verläuft, entsprechend der Oberseite (innen) nach „außen/hinten“, und zwar linear mit einem Ausweichwinkel von 10° (Wurzel) bis 15°(Außenflügel).
Wir weisen mit Nachdruck daraufhin, daß die gewonnenen Ergebnisse sich auf einen stark (rück-)gepfeilten, mäßig gestreckten und mäßig geschränkten Flügel beziehen. Transfer-Schlüsse auf andere Auslegungen können von uns nicht vorgenommen werden. Des weiteren weisen wir daraufhin, daß wir mit hoch-pigmentierten Suspensionen gearbeitet haben, deren Interpretation einiger Vorversuche bedarf.

Literatur/Bezugsnachweise
(1) Etwa: „RC-network“, Nurflügel-Forum, bitte SuFu verwenden: „Ortho vs. Normal“
(2) Diese Unterschiedlichkeit der Betrachtungsweisen läßt sich im Übrigen bereits für die Frühphase der ferngesteuerten NF in den achtziger Jahren nachweisen. Während unsere Konstruktionen (Zanonia-Flyers) stets eine Flugrichtungs-Orientierung der Profile aufwiesen, basierte etwa die „Elfe 2“ (Curt Weller, vgl.: www.aerodesign.de) nach Bekunden des Piloten auf einem mit Heißdraht geschnittenen ungepfeilten Strak, der DANN mit der entsprechenden Pfeilung versehen worden ist. Kein Wunder, daß damals Nachbauten „etwas“ anders flogen !
(3) Gronau/Nickel 1956, zit. nach: Nickel/Wohlfahrt: Schwanzlose Flugzeuge, 1990, S.570 ff.
(4) Zur Methoden der Detektierung von Strömungsverhältnissen allgemein vgl.: Siegmann: Laminare Ablöseblase, www.aerodesign.de., 2015
(5) Nickel/Wohlfahrt, a.a.O.
(6) Vgl.: Unverferth: Der diskrete Charme des Nurflügels, „Aufwind“ 1/2016
(7) Bezug etwa: R&G, dient zur streifenfreien Einbringung von PVA-Trennmittel in Formen
(8) Bezug etwa: Handwerkerbedarf, dient zur „fettfreien“ Schmierung von Schließsystemen
(9) Bezug etwa: „Feinste Künstlerpigmente Gerstaecker“, (Furnace-Ruß)
(10) Bezug etwa: Künstlerbedarf/Schreibwarenhandel

Kontakt:
Zanonia-Flyers
Dr. Hans-Jürgen Unverferth
Oberringel 14
49525 Lengerich
mbuzz@t-online.de

Die Kurzfassung dieses Arbeitsberichtes sowie die dazugehörigen Grafiken und Bilder sind in AUFWIND 5/2016 unter dem Titel „Strömungsimpressionen“ erschienen.

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