Geschichte
Es muss irgendwann in der Mitte der 1980er Jahre gewesen sein, als Reinhard und ich eher aus Zufall auf einen der damals legendären Versmolder Nurflügel – Cups gerieten. Eine unglaubliche Vielfalt von Konzepten: Pfeile; Bretter; Hortens, Unbeschreibliches, etc. Wildes Eingeschlage ringsumher, begleitet von glucksendem Gelächter aller Beteiligten. Als junge, F-3-B begeisterte Luftsportler verstanden wir die(se) Welt nicht wirklich. Alles wäre wohl im Sande verlaufen, hätte ich nicht kurz darauf Klaus Brunswicker, einen NF-Freiflieger der 60er Jahre, mit seinem neuen RC-NF an unserem Haushang getroffen. Nach 20 Min. mit dem Sender in der Hand fuhr ich enthusiastisch heim und rief Reinhard an, meine Damalige guckte ganz komisch – Vorahnung drohenden Unheils? Wir waren angefressen und gingen in der Werkstatt in Klausur, auch wenn wir noch nicht wirklich wussten, was ein NF eigentlich ist (naja, die Dinger ohne Leitwerk eben).
An dieser Stelle (und nur hier, und nur einmal), liebe Freundinnen und Freunde, ein kleiner Tip für den Umgang mit Nurflügel-Leuten: fragt sie nie, niemals (!), warum sie diese Materialisationen eines aerodynamischen Albtraums fliegen. Alle Antworten wären nur arglistige Täuschungen um Euch abzuschrecken. Vor allem aber: fragt sie nie, niemals (!) nach „irgendwelchen verborgenen Leistungspotentialen“ oder so einem Quatsch. „Der NF hat gegen die Prothesen (Leitwerkler) keine Chance, er hatte nie eine und wird nie eine haben…“, werden sie antworten. Und die Jungs, die mit NF offene Wettbewerbe gewinnen ? Nie, niemals (!) Fangfragen stellen! „Das sind gar keine Nurflügel-Leute, das sind Menschen denen jedes Mittel recht ist!“ Weiter im Text…
Alles kulminierte dann in unserem ersten NF- Artikel für eine bekannte Fachzeitschrift, durch den wir auch John Yost kennenlernten (Sielemann/Unverferth: „Nurflügel und F-3-B?“, FMT 7/85). Natürlich wußten wir nicht, was wir taten. Jedenfalls rollten wir in kürzester Zeit wettbewerbsmäßig die gesamte NF-Szene auf, zunächst unter Einsatz des damals noch recht neuen „Eppler-Profil-Straks“ (E 222 – E230) und mit Hilfe primitivster Flügelbautechnik. Aber für uns junge F-3-B-Leute war das alles noch „Fritte“, vor allem der Speed-Flug. Kurzfristige Versuche schneller Verbesserungen führten eher in Abwege (JIT 1 / JIT 2).
Dann steuerte John ein neues Profil bei (EH 1,0/9,0), das konsequent auf Wölbklappen-Einsatz hin ausgelegt war. Diesmal hatten Michael Gockeln und ich genau eine Woche Zeit („zwischen den Jahren“, bevor Michael im Auftrag von SIEMENS wieder nach Libyen „durfte“). Heraus kamen zwei Prototypen eines Boliden, wie ihn die NF-Welt noch nicht gesehen hatte: CO2, gemein, stark, schwarz. Als erster seiner Art komplett in Carbon gefertigt und bereits im Rohbau mit einigen Gimmicks ausgestattet, die Batman das Fürchten gelehrt hätten. Der CO2 schlug in Sachen handling und Leistung wie eine Bombe ein. National und international kam es in der Folgezeit zu einem wahren NF- hype, die Zeit war irgendwie reif, als Momentaufnahme von uns dokumentiert (Unverferth (Hsgb.):“Fazination Nurflügel“, vth 1987). Allerorten wurde konstruiert, gebaut, geflogen, zerschmissen. Und immer gegen diese sich inzwischen zu Monstern entwickelnden F-3-B –Winden (Ein Riesendank an Ralf Decker, ohne dessen Engagement bei der Eindämmung dieses Abweges der F-3-B-Sport längst tot wäre!). Es entstanden eine Vielzahl von NF-Teams, ausgestattet mit erheblichem Ehrgeiz. Nun denn, ich gründete flugs eine kleine Firma, um zumindest unsere Flieger einem größeren Kollegenkreis zugänglich zu machen (den Begriff „start-up“ gab es – glaube ich – noch gar nicht).
Ende der 80er fühlten sich die drei „Großen“ der Branche „genötigt“ ferngesteuerte NF in ihr Programm aufzunehmen (Graupner: Mini SB-13, Multiplex: Cortina, robbe: Vampir). Ein gewisser Stolz machte sich ob dieser Tatsache bei den NF-Begeisterten dieser Welt schon breit! Auch wenn – zumindest unsere- Versuche in Sachen F-3-B eher vom Bemühen gekennzeichnet waren (ja,ja, wir haben den Leitwerkler-Kollegen schon eine Menge zugemutet 😉 ). Vieles war wohl zu früh.
Neue Klassen entstanden (F-3-J, HLG), der E-Flug etablierte sich als Massenphänomen. Auf den meetings der 90er Jahre erwiesen sich viele ehemals als „nurflügeltypisch“ betrachtete Probleme und Unarten als „Schnee von gestern“. Martin Hepperle hat das Seine dazu beigetragen (Winglet-Auslegungen, MH-Profile). In den elektrifizierten Klassen errangen NF-Sportler erste Erfolge. Noch ahnte niemand, dass 10 Jahre später „Schaumwaffeln“ vielen Luftsportlern den Nurflügel als „unkapputtbare Reduktion auf das Wesentliche“ näher bringen sollten.
Die „Zanonia Flyers“ machten auch im neuen Jahrtausend weiter das, was sie immer schon gemacht hatten: experimentieren. Allerdings überließen wir die Wettbewerbsambitionen nun anderen. Viele unserer frühen Ideen waren Allgemeingut geworden. Etwa die negative V-Form beim Pfeilflügel zur Vermeidung von Überstabilitäten durch Pfeilung und Winglets oder die negative Differenzierung der Querruder zur Reduktion des negativen Wendemoments. Reinhard kümmerte sich in der Folge um Profilentwicklung und neue Auslegungsprogramme, ich widmete mich dem Thema “Winglet“ in allen seinen Facetten (Bögen, C-Wings, Randscheiben, Pendel-WL`s, irgendwann, viel später, führte das alles zum DSA-WL). Nebenbei lösten wir das Problem zu geringer Hochstarthöhen.
Formen zu bauen oder Flügel in Negativ-Formen zu erstellen war inzwischen ebenso Bestandteil unseres Kompetenzprofils wie die effiziente Elektrifizierung unserer Sportgeräte per Zugantrieb. Das meiste aber lernten wir wohl über die Effekte von Pfeilungswinkeln für/auf Längsstabilität, Stabilitätsmaße und Aeroelastic. Die Marksteine dieser Entwicklung: CO5, CO7, CO8, CO9.
Ende des ersten Jahrzehntes des neuen Jahrtausends wurde es auch für uns einmal wieder Zeit zurück und nach vorne zu blicken, zumal unsere Ausflüge in die Multi – Copter-Szene (ja, ja: Nurflügel!) sich zunehmend langweilig gestalteten. Was sahen wir? Die „Bretter“ waren, trotz auslegungsbedingter Schwächen, immer beliebter geworden (Schweißgut, Wick). Fliegbare Horten-Konzepte gehörten längst zur Normalität (Gabsch, Kehrer, Sonst). Inzwischen konnte man mit einem NF an der Hangkante auftauchen, ohne diesen irgendwie komisch-mitleidigen Blicken zu begegnen.
Eher zu denken gaben uns die Entwicklungen im Leitwerkler-Bereich: F-3-B, F-3-J, F-5-J, F-3-K sind inzwischen die auch marketingrelevanten Charakteristika, erkauft durch erhebliche Spezialisierungen und high-end-Technologien. Telemetrie steckt ohnehin nun in jeder „Kiste“, wozu auch immer. Gerne wechselt der geneigte „Experte“ dreimal am Tag das Gerät, um sich unterschiedlichen Bedingungen anzupassen (Keine Angst: am Horizont lauert schon der „Nachfolger“ mit 16mm längerem Leitwerksträger und – endlich – final Re-Zahl-optimiertem Profil). „Alles so bunt hier, ich kann mich gar nicht entscheiden“ (Nina Hagen).
RES und „Retro“ sind die reflexartigen Gegenbewegungen zu dieser Entwicklung. Denn: auf der Strecke bleibt der Spaß an der eigenen Hände Geschicklichkeit, häufig die Alltagstauglichkeit und fast immer der alte (F-3-B)-Traum vom „allround glider“!
Kann sein, dass wir „Nostalgiker“ sind. Dann eben zurück in die Zukunft. Denn die Zeit ist wieder reif für den ehrlichen, aufrichtigen, alltagstauglichen und immer und überall einfach nur Flugspaß vermittelnden Pfeil-NF! Waren wir vielleicht einmal unserer Zeit voraus? Egal, wir machen das jetzt! Unsere „Bussard“-Reihe ist geboren. Willkommen in der Gegenwart!
Ich habe hier in aller Kürze eine Geschichte „skizziert“, die Geschichte der Zanonia-Flyers. Vieles gäbe es zu ergänzen, etwa Konstruktionsunterlagen, Skizzen technologischer Neuerungen oder die eine oder andere Anekdote. Darum stöbert einfach ein wenig in unseren „Berichten“ herum. Auf alles, was bereits an anderer Stelle gewürdigt worden ist, verweisen wir per link.